Das Jahr 1929 war ein sehr spannendes. Der Schnelldampfer Bremen bekommt das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung, das Luftschiff LZ 127 'Graf Zeppelin' startet von New York aus, wo es im Jahr zuvor gelandet war, eine erste Weltfahrt, und das größte Flugzeug der Welt, die Do-X, hebt zum ersten Mal ab. Politisch radikalisieren sich linke und rechte Lager, die bürgerliche Mitte der jungen Weimarer Republik hat dem angesichts steigender Arbeitslosenzahlen und unzureichender Sozialsysteme wenig entgegenzusetzen. Der wohl betuchte Rest feiert rauschende Feste, bis im Oktober am Schwarzen Freitag der größte Börsencrash der Geschichte allem ein Ende setzt.
Im Vordergrund das fertige Boot in passendem Kontext.
Das Boot
Die Faltbootwerft Hart hat in der Vorkriegszeit Faltboote zu Kampfpreisen produziert. Auf 3000qm Fabrikfläche wurden nur Faltboote gebaut. Dennoch sind wohl nicht mehr viele der Reiseeiner erhalten (ich habe noch keinen gesehen). Es gibt ja auch edlere Boote, z.B. die gesuchten Schwarzhaupt-Modelle. Diese bezogen ihre Gerüste aller Wahrscheinlichkeit nach von Hart :-) Das Sammlerinteresse bezieht sich mehr auf sportlichere Modelle edlerer Marken, und davon stammen die meisten aus der Nachkriegszeit.
Da ich kein Sammler bin, und nach Möglichkeit nur anschaffe (bzw. behalte), was ich auch benutzen möchte, kommt mir so ein 'unsportliches' Wanderboot gerade recht. Ich war auf der Suche nach einem gemütlichen Wanderboot mit Stil. Und Stil hat sowas Altes ja jede Menge. Ob es nun 50 Jahre alt ist oder 90, ein Holzgerüst lässt sich fast immer Instand setzen, wenn man das will. Und darauf kommt es mir hierbei an, dass das Boot wieder voll einsetzbar wird.
Viel sieht man vom Stil des Bootes vielleicht noch nicht anhand der präsentierten Gerüstfotos:
Das Boot ist 4,30m lang, wobei es eigentlich nach Liste nur 4,25m lang sein sollte. Mit 72cm Breite gehört es zu den Reiseeinern. Die Bootsform ist leicht 'fischförmig', also vorne etwas breiter geschnitten als hinten. Die 'Schwedenform', hinten breiter als vorne, wurde erst später zur Mode.
Hart baute die Gerüste in einer Mischung aus Esche und Buche: Die unteren Senten waren aus Buche. Angeblich, weil Buche biegesteifer ist als Esche, nicht weil es billiger war. Marketing konnte man früher auch schon gut. Die Bodenbrettchen der Bodenleiter und die Süllrandprofile sind auch aus Buche.
Süllrand und Oberdeck verbinden sich per Kedernut. Das lässt viel Holzfläche sichtbar stehen, was mir besonders gut gefällt. Die Spritzdecke wird ebenso aussen nur schmal angesetzt und lässt das Holz auf elegante Art sichtbar. Die meisten übrigen Spritzdecken, die ich bisher gesehen habe, empfinde ich als sehr hässlich, weshalb mir sowas hier besonders auffällt. Zumal der Süllrand im Vergleich zur Bootslänge sehr groß ist. Es sitzt sich durchaus bequem in dem Boot, man hat viel Platz.
Viel Platz! Das Foto zeigt das Gerüst bereits nach der Instandsetzung.
Das Gerüst
Eine erste Durchsicht ergab:Die hintere Deckleiste wurde mal gegen Eiche ausgewechselt und ist krumm. Es gibt einen Ausbruch an der Aufnahmestelle des kleinen Spanten, und der Querschnitt stimmt auch nicht (35x10 statt 36x11).
Die vordere Deckleiste ist am süllrandnahen Ende stark wurmzerfressen und brach beim ersten Belastungstest sofort durch.
Die hintere Kielleiste ist krumm und hat eine Reparaturstelle, es wurde ein Stück Buche angesetzt. Der Steven müsste da eingepasst werden.
Vier der Buchesenten sind nicht verwendbar und mehrere Senten brauchen neue Messinghülsen. Teilweisen Ersatz gab es gleich zum Gerüst dazu, ebenso wie neue Schiebehülsen.
Es wird etwas Ersatz-Escheholz benötigt. Als Materialquelle für Escheleisten taugen Tischlereien heutzutage gar nichts mehr. Meinen Anfragen wurde deutlich unwirsch begegnet. Also war wieder mal das Internet gefragt und bei der Holzleistenmanufaktur wurde ich recht günstig fündig. Traditionelles Handwerk stirbt nicht, es ist schon tot.
Ein Dollbordrundstab wurde mal gegen Buche ersetzt. Der wird wieder gegen einen 20mm Escherundstab getauscht.
Schlimm erwischt hat es den Süllrand, beide Hälften. Es gibt mehrere lange Risse. Das wurde früher mal genagelt und mit einem Blech verschraubt. Blech und Nägel müssen entfernt werden. Schlimmer wäre, alte Kleberreste entfernen zu müssen. Es wird alles mit Epoxy wieder zusammengeklebt. Das Vergnügen hatte ich beim T67 ja auch schon, und es wurde stabil.
Nebenbei muss auch das Holz der Süllrandspitze geklebt werden. Das Blech konnte ich mit meinem Ausbeulhammersatz richten. Die Messing-Patina rühre ich nicht an. Nur alte Lackkleckse wurden mit Abbeizer schonend entfernt.
Mit einer weichen Messingbürste konnte ich die Patina ein bisschen aufpolieren, ohne sie zu zerstören. Das Foto oben zeigt die Schokoladenseite (Zustand vorher: oben rechts), auf der anderen Seite sind Zeichen des Alters in Form von Beulen erhalten :-)
Ein erstes Erfolgserlebnis: Hier war der Schraubbolzen ausgerissen, mit dem der Spant gehalten wird. Der neue Holzblock ist auch um 4mm verlängert, jetzt sitzt der Spant wieder stramm zwischen Bodenleiter und vorderer Kielleiste. Am hinteren Kiel musste der Holzblock auch ersetzt werden, da der Schraubbolzen zu hoch angebracht war und so der Spant nicht auf dem Kiel auflag, er kippelte darauf herum. Vermutlich wurde mal ein abgebrochener Bolzen ersetzt, indem oberhalb diesem ein neuer eingesetzt wurde. So belastet wäre der aber auch bald wieder abgebrochen. Überhaupt muss, wenig überraschend, an einigen Stellen von Bodenleiter und Kiel gearbeitet werden, um über Jahrzehnte entstandenes Spiel zu entfernen. Sonst hängt das Boot durch und wird nicht stabil. Es sind diese ganzen Kleinigkeiten, die am Ende den Unterschied ausmachen.
Die Bodenleiter:
Die Unterkante einer Kielleiste wurden mal mit Epoxy gestrichen um Wurmlöcher zu stabilisieren. Das wird nun mit einem Lamellenschleifer bis aufs Holz verschliffen, bevor Lack drauf kommt. Falls sich die Leiste aufgrund dem früheren Wurmfraß als morsch erweist und bricht, kann sie dann immernoch ausgetauscht werden.
Die Bodenbrettchen sind teilweise aus Buche (die schmalen wie im Bild unten das losgeschraubte), die übrigen aus Esche und sind angeschraubt. Ich entferne sie, jedes Brettchen einzeln, damit sich nichts verzieht. Die Brettchen werden gereinigt und geschliffen, die Auflagefläche auf den Kielleisten ebenfalls. Dann wird alles gleich wieder zusammengesetzt, unter Zugabe von Bootslack an der Auflagefläche und an den Schrauben. Diese sind aus Eisen und können etwas Rostschutz und Halt im Holz gebrauchen. Wenn man die Schrauben später wieder lösen möchte, muss man die mit einem starken Lötkolben warm machen.
Das originale Sitzbrettchen bestand aus nur zwei Lagen dickem Furnier, die sich voneinander getrennt hatten. Die obere Lage Furnier habe ich auf ein passend zugesägtes Sperrholzbrettchen mit Epoxy vollflächig aufgeklebt und so den Originalzustand zumindest optisch wiederhergestellt:
Das Furnier ist stellenweise noch wellig geblieben, obwohl ich es zwischen zwei Holzplatten sehr stark gepresst hatte. Das war aber auch zu erwarten. Unter den Wellen sind aber keine Hohlräume, sondern Epoxy. Das hält nochmal 90 Jahre. Das Brettchen wurde unter Zugabe von Bootslack in die Nuten der Leisten eingesetzt.
Das Furnier wird nicht lackiert, nur mit Holzöl eingerieben um die Poren zu schliessen. Sitzbrett und Rückenlehne bleiben optisch unrestauriert, damit man sieht, dass es ein altes Boot ist.
Senten-Mikado:
Eine Drehmaschine ist auch bei Hartholz von Nutzen. So lassen sich die Hülsenaufnahmen bequem und auf den Zehntel Millimeter genau, und vor allem genau rundlaufend abdrehen.
Die drei ausgetauschten Buchesenten sind auffällig hell, mit Beize Eiche-Mittel konnte das farblich angeglichen werden. Eine vierte Sente muss (wenigstens vorläufig) gegen eine Eschesente von einem Ausschlachtgerüst getauscht werden, da Bucherundstäbe nur bis 1 Meter Länge verfügbar sind.
Von den fest an den Steven angebrachten Senten gibt es zwei Längen (die langen kommen nach oben, die kurzen drunter), die mittleren Senten sind alle gleich lang. So ist ganz klar, was wo hin gehört.
Der Süllrand:
Dieser ist das kritische Element dieses Bootsgerüsts. Das Holz ist mehrfach gesplittert und es lässt sich nicht ersetzen. Das besondere Profil hat an der Kedernut eine Schwachstelle. Nachdem die frühere Vernagelung entfernt worden war, gilt es nun, alles wieder stabil zusammenzusetzen.
Epoxy drauf und alles aufwendig winkelig zusammenpressen. Die Holzstücke sind mit Paketklebeband beklebt, damit sie nicht ankleben.
Tesafilm in vielen Lagen aufgewickelt entwickelt genug Anpresskraft. Es liess sich aber nicht so einfach wieder abziehen wie erhofft...
Die Kedernut wurde mit Holzstücken offen gehalten. Sie musste hinterher nur noch etwas ausgefräst werden.
Zusätzlich wurden die Klebestellen mit 2mm Messingstiften verstärkt. Jeder Stift wurde 1,5mm vorgebohrt und nur so weit eingeschlagen, wie jeweils sinnvoll erscheint. Der Rest wurde abgesägt und verschliffen. Eine ganze Menge Bohrungen wurden noch mit 3mm Rundstabstücken aufgefüllt und später verschliffen. Weitere Fehlstellen wurden mit Hartwachs in der passenden Farbe verfüllt. Das Wachs wurde mit dem Heissluftfön aufgeschmolzen und mit dem Dreikantschaber geglättet.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach insgesamt 7 Stunden Arbeit ist der Süllrand wieder stabil und lackierfertig vorbereitet. Der braune Streifen wurde mit Lasur nachgestrichen. Natürlich werden die ehemaligen Bruchstellen nicht unsichtbar. Sie gehören zur Geschichte des Bootes.
Mit einer ersten Lackschicht sieht das ganze schon edel aus :-)
Mehr brauchts zum lackieren nicht: Mit Waschbenzin stark verdünnter Bootslack und ein kleiner Pinsel. Die Süllränder, die neuen Holzteile und die Bodenleiter bekommen noch zwei Anstriche. Die übrigen Teile bekam ich schon zweifach lackiert vom Vorbesitzer.
Diese Schraube dient der Befestigung der Süllrandspitze, und brach als ich sie gerade richten wollte. Vermutlich war sie schon angeknackst. Sie musste also nachgefertigt werden. Im Holz ist nun ein M5-Gewinde eingeschnitten, in Hartholz hält das einwandfrei. Im Foto oben rechts allerdings noch auf der falschen, vorderen Position, womit die Süllrandspitze zu weit vorne sitzt.
Und so wird ein Boot draus. Deckleisten und hintere Kielleiste sind der nächste Schritt. Dafür ist neues Holz bestellt.
Immerhin konnte ich schon ein erstes Mal auf dem Sitz Platz nehmen. Der Süll ist eher schmal. Mit der Beinlänge komme ich gut hin, die Fersen liegen noch hinter dem vorderen Hauptspant auf. Also alles genau passend.
Das Heck:
Die hintere Kielleiste musste ersetzt werden. Sie ist einfaltbar, um die Stablänge auf die der übrigen Stäbe zu beschränken, also ca. 153cm. Die Verbindung benötigt solch eine Einfräsung:
Die wurde auf einer improvisierten Tischkreissäge hergestellt, ich besitze nur eine Handkreissäge und habe diese unter ein Brett geschraubt. Mit fünf Sägeschnitten nebeneinander entstand die benötigte Nut.
Der Original-Steven war noch vorhanden, und so konnte ich herausfinden, wie der früher mal mit dem Kiel verbunden war. Das habe ich dann so genau wie möglich nachgebaut. Die Schlitze für das Brettchen im Winkel entstanden ebenfalls mit der Kreissäge. Das war nicht sehr genau, der Kleber füllt die Lücken.
Verklebt wurde das mit reichlich Epoxy-Kleber und am nächsten Tag vernietet.
Nachdem ich noch beide Firstleisten erneuert hatte, konnte das Boot zum ersten Mal vollständig aufgebaut werden (bis auf die Diagonalstäbe). Ein paar Lackierarbeiten stehen noch an, dann gehts an die Nähmschine...
Das Deck
Für den Deckstoff habe ich diese Zeltplane bestellt:Zeltstoff Baumwolle für Zeltplane 310 Gr/M² 160 cm, sand 69745
Das ist nicht so knallig wie im Original:
Das wäre so die Farbpalette gewesen, der blassere Ton gefällt mir besser.
Hier ist noch eine Farbpalette: Rotbraune Haut, rote Gummistevenkappen, Oberdeck und Stabtasche sowie Spritzdecke in Sand.
Aus dem Deckstoff entsteht auch eine Spritzdecke. Vom Original ist immerhin das Rückenteil erhalten (aussen rot überlackiert, wie zuletzt vermutlich das gesamte Deck...). Das Vorderteil muss dann nach Bildvorlagen nachgebildet werden.
Ebenso aus dem Deckstoff werden Stabtasche und Spantenrucksack hergestellt. Im Original sah das 1933 so aus, dem Text nach erst ab dem Vorjahr. Andere Vorlagen habe ich nicht:
Daher verwende ich meine Standart-Eigenbau-Stabplane und einen Rucksack mit einem Innenfach für die Haut, wie ich ihn schon für meinen T67 (als Tasche) genäht habe.
Nun entsteht also das Oberdeck. Dazu habe ich nur Fotos als Vorlage und so richtig klar geht daraus nicht hervor, wie das mal konstruiert war. Ich versuche mich dem so gut es geht anzunähern, so dass es zumindest von aussen aussieht wie auf den Fotos.
Ein ermutigender Anfang. Mit Packpapier werden die Innenkonturen des Süllrands abgenommen und die Stoffbreite. Wie das fertig mit Stoff aussieht sieht man oben rechts. Die Vorderkante ist schon nach innen eingeschlagen.
Der Keder mit eingelegter 4mm Schnur ist mit 25mm Abstand von der Stoffkante eingesetzt und mit Hilfe eines Reißverschlußfußes eng vernäht. Die Stoffkante wird dann eingeschlagen, gebügelt, und nochmals knappkantig vernäht.
Diese Markierungen müssen sowohl auf Oberdeck als auch auf die Haut übertragen werden. Beim Zusammennähen der Längsnaht müssen sie dann übereinander passen.
Mit Paketschnur wirds dann über das Gerüst gespannt. Jede Schnur wird erst mit einem Knoten am Stoffrand verknotet, dann reisst die auch nicht aus dem eingestochenen Loch aus. An der Sente kann man dann leicht lösbar Knoten und Schleife machen.
So sieht die Kedernaht dann von innen aus, wie im Original.
Eine Verstärkung gehört unter die Süllrandspitze. Auf Links genäht und dann auf Rechts gedreht:
Hier wird sie von unten unter den Deckstoff eingesetzt und mit Handstichen fixiert.
Dann kann das vordere Deckteil dazu kommen.
Ebenfalls mit Handstichen fixiert. Ich fixiere alles so erst mal am Gerüst, und nähe später alles in einem Rutsch an der Nähmaschine. Dann muss ich den Deckstoff nicht mehrfach auf das Gerüst ziehen.
Analyse der Stevenspitze. Das Stück Stoff auf der Spitze, ist das rot gummiertes Gewebe? Oder wurde das später mal überlackiert? Ich vermute sehr, dass es einseitig gummiertes Gewebe ist. Es sollte ja mit der Stevenkappe dicht gepresst werden.
Interessanterweise wurde die Kante mit Zickzack auf den Oberdeckstoff genäht.
Jetzt ist auch das Heck fertig. Der Stoff ist aus linker und rechter Hälfte zusammengesetzt. So war es im Original auch, und es spart Verschnitt beim Stoffzuschnitt. Ein 2,60m langes Stück Stoff hat für das ganze Deck gereicht.
In den Bumerang wurde ein Stoffstreifen mit Keder eingesetzt und mit dem Deckstoff verbunden. Später wird die Stoffkante einfach abgeschnitten.
Jetzt ist das Deck fertig zum endgültigen vernähen.
Die vordere Quernaht von unten, eine Naht ist schon genäht. Der Saum wird eingeschlagen und eine zweite Naht genäht. Rechts das fertige Ergebnis, nur lose am Gerüst befestigt. Das Hart-Logo habe ich zum Boot dazu bekommen und nun mit Zickzacknaht angenäht. Es macht das Deck komplett.
Die beiden Sichtnähte auf Deck im Detail. Sie sind 15mm breit, das kam mir von Fotos her vorbildgetreu vor.
Inzwischen konnte ich sogar noch ein Paddel aus der Zeit von Hart bekommen. Es ist 2,60m lang und das Paddelblatt 15cm breit. Das damalige Standartpaddel also.
Die neue Haut
Original war eine dicke 7-fach-Gummihaut vorhanden. Damit sind auch robustere Situationen zu meistern. Wehrfahrten und Flossgassenfahrten waren damals beliebter Sport. Mein Anwendungsprofil ist das nicht, ich gehe schonend mit meinem Boot um, und bevorzuge im Gegenzug eher leichtgewichtiges und schlankes Gepäck. Daher verwende ich 700g/qm LKW-Plane, mit der ich bisher schon gut zurecht kam. Damit wird es aber nicht einfach, eine faltenfreie Haut zu fertigen. Das alte und recht filigrane Gerüst kann eine unelastische Haut nur bedingt spannen. Man muss dem Material schon mit einem passenden Schnitt entgegenkommen.Mit LKW-Plane wäre eine dreiteilige Haut möglich: Aus Boden und Seitenteilen zusammengesetzt, die Naht entlang der unteren Senten mit einem Kielstreifen (bzw. Sentenstreifen) überklebt. Den Boden könnte man dann auch gleich mit Kielstreifen aufdoppeln. Hart hat als Option drei schmale Kielstreifen angeboten, oder einen ganz breiten, der zu den Enden spitz zu läuft.
Von der Originalhaut sind nur die Stevenkappen mit Beschlägen erhalten (immerhin!). Solche Beschläge machen das Boot authentisch. Die 'Hart-Stevenkappe' mit 'fester, wasserdichter Klemmverbindung zwischen Gummihaut und Deckstoff' war patentiert. Hier lässt sich ein Flaggenstock und eine Bootsleine anbringen. (Wobei man eine Bootsleine besser immer zuerst am Gerüst anknotet, und dann erst durch solche Hautbeschläge durchfädelt.)
An solch edlen Stevenbeschläge aus Messing und ihrer Patina erkennt man erst, dass es sich um ein antikes Boot handelt. Die Teile waren grob überlackiert. Wahrscheinlich hat 'Messing antik' irgenwann nicht mehr dem zeitgenössischen Geschmacksempfinden entsprochen. Der Lack wurde mit Lackentferner behandelt, anschliessend wurden die Teile in Aceton eingelegt. Reste mussten dann noch mit Messingbürste und Aceton entfernt werden. Der alte Lack hat sich also lange gewehrt.
Eine der 6 Schrauben hat ein plattes Gewinde. Wenn man eine Drehmaschine hat, ist es schneller erledigt, eine neue Schraube nachzufertigen, als auf die Suche nach einem stilgerechten Ersatz zu gehen. Genaugenommen 24 Minuten, dann war die neue Schraube fertig. In einem Handwerksbetrieb hätte das natürlich auch wieder dreistellig gekostet, falls man einen findet der sich dazu herablässt.
Unter der Stevenkappe sieht das Hautmaterial kräftig rot aus. Das gab es ab 1929, vorher war es rotbraun. Die Haut ist an den Steven innen mit einem grünen Materialstreifen zusammengenäht, also nur mit Geradstichnähten. Das ist ein Streifen der 5-fach Haut, die war grün.
Die Kappen selber scheinen mal orange gewesen zu sein. In einem Prospekt von 1933 kann man auch eine farbliche Absetzung der Stevenkappen erahnen. Das scheint mal farblich dem Deckstoff entsprochen zu haben. Dessen Farbe sieht man auf dem rechten Foto unten, das ist der Innenrand der Spritzdecke. Es kann aber auch sein, dass die Kappen sich verfärbt haben und ursprünglich rot waren. Die bestehen nur aus Gummi ohne Trägergewebe, können also aus ganz anderen Gummimischungen bestehen als die Haut.
Und jetzt gehts los: Zuerst in der Mitte die Plane aufspannen! Dann die Steven markieren und auf rechts zusammennähen. Boot in diese 'Hülle' hinein aufbauen.
Die Plane wird so gespannt, dass sie an den Seiten faltenfrei anliegt.
Dann entlang der unteren Senten einschneiden, fixieren und die Bodenteile über dem Gerüst zuschneiden. Das ist nicht einfach und geht nur mit Augenmaß.
Mit 30er Garn und Zickzacknaht wird das vernäht.
Die Stevennaht habe ich dann noch mal enger gefasst, um mehr Längsspannung zu erhalten. Als alles stimmte, wurde diese wieder aufgeschnitten und ebenfalls per Zickzack vernäht.
Zum Schluss aufs Gerüst gespannt und kontrolliert. Die Nähte habe ich dann noch mit SeamGrip von aussen abgedichtet. Das stabilisiert die Naht auch gegen aufribbeln, falls mal der Faden reisst.
Kielstreifen wurden aussen aufgeklebt, und schmale Schonstreifen innen auf die Nähte (Foto oben). Diese habe ich in Spiralen aus einem alten Ortliebsack geschnitten.
Die Seitenkanten wurden dann mit 15mm Nahtzugabe abgetrennt, ebenso beim Deckstoff. Die Markierungen am Gerüst konnten nun auf die Haut übertragen werden. Diese passten dann mit den Markierungen überein, die zuvor auf den Deckstoff übertragen wurden. Und so kam zusammen, was zusammen gehört:
Mir gefällts. Alles sitzt stramm. Das darf sich noch etwas dehnen, damit der Aufbau weniger schweisstreibend wird. Nun noch die Stevenkappen und Messingbeschläge.
Hier sitzt die hintere Stevenkappe. Die mittlere Zickzacknaht wurde dann noch mit einem diagonal zugeschnittenen Streifen überklebt.
Dann kamen endlich die Beschläge wieder an ihren Platz.
Zuletzt noch die Verpackung mit einem alten Kleidersack und einer Stabplane nach meinem Schnittmuster.
Das ganze Boot wiegt incl. Verpackung nun um die 18 kg. Hier macht sich das leichte Hautmaterial bemerkbar. Ich bin sehr zufrieden.
Zuletzt gab es noch eine Spritzdecke dazu. Zwei der 6 Süllrandklemmen sind die Originale aus dem erhaltenen Rückenteil. Ich benötige nur eine Halbspritzdecke, also hinten offen. Das ist sicherer als diese seitlich zugeknöpften traditionellen Spritzdecken.
© März-Juni 2019, Wolfgang Bion
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