Ein kleines Zelt für große Touren mit historischen Faltbooten
Kleines Wander-Zelt aus den 1920-30ern
Als Ergänzung zum Klepperzelt, das ja vom Packmaß ein ziemlicher Trümmer ist und in kein Faltboot rein passt, suchte ich schon eine Weile nach einem kleinen Zelt aus der gleichen Zeit. Diese wurden damals unterwegs im Boot mitgenommen, und dabei oft flach zusammengefaltet als Sitzkissen verwendet. Sowas war aber nirgendwo zu bekommen. Da half nur ein Zufall, es fand sich auf einem Flohmarkt in einem Haufen alter Seesäcke aus Armeebeständen. Für 20 Euro war es meins. Das Zelt ist 200x120x120cm groß. Es gibt kein Herstellerlogo, nur ein nicht mehr leserliches Etikett am Eingang.
Das Zelt, hier bei einem ersten Probeaufbau zur Durchsicht und Vermessung, bestand nur noch aus der Hülle. Gestänge und Packsäcke fehlten. Von den Abspann-Schnüren waren nur wenige Originale erhalten. Immerhin sah der Stoff noch fest aus und die Nähte waren alle noch intakt. Wie beim Klepperzelt hatte der Boden es hinter sich. Das war einseitig gummiertes Gewebe, die Gummierung bröselig und der Stoff stinkig und rissig. Der Boden musste also raus. Ohne Boden liess sich der Zeltstoff dann auch in der Waschmaschine waschen. Anschliessend eine Tauchimprägnierung und ab auf die Wäscheleine. Danach war der Stoff sauber und hatte keine schlechten Gerüche mehr. Im Gegenteil, das Zelt riecht nun gut :-)
Allerdings hatte der Waschgang auch Schwachstellen im Gewebe offengelegt: Es gab einige Risse. Da hatte wohl im gefalteten Zustand mal was gegammelt, und das durch mehrere Schichten hindurch.
Die Risse wurden von innen mit großen Flicken aus imprägniertem Zeltstoff belegt. Sie sind rundum angenäht.
Von Aussen sollte die Reparatur so unauffällig wie möglich sein, aber hier mussten Flicken in Postkartengröße drauf. Diese bestehen aus Leinenstoff, da der Zeltstoff ebenfalls aussieht wie Leinen. Sie mussten eingefärbt werden. Kaffee und Tee waren zu schwach. Was half war eine Lösung aus Beize, Farbton Eiche mit etwas Schwarz, verdünnt mit Wasser. Nach einigen Versuchen war das Ergebnis zufriedenstellend. Lieber etwas zu dunkel als zu hell, war das Ziel. Die Flicken wurden dann ebenfalls imprägniert, aufgenäht und mit Wachs versiegelt. Das sollte nun halten und dicht sein.
Der neue Boden sollte nicht aus modernem Kunststoffgewebe bestehen, da sich das dann im Innenraum nicht 'echt' anfühlt. Also kam Segeltuch in Verwendung, von der Struktur her dem Originalboden entsprechend, der aus einseitig gummiertem Baumwollgewebe bestand. Sowas gummiertes gibt es nicht mehr. Das Segeltuch wurde tauchimprägniert und anschliessend mit reichlich Wachs auf der Unterseite zum Wachstuch verarbeitet. Natürlich ist das auf nasser Wiese nicht dicht, wenn man keine wasserdichte Unterlage drunter legt. Diese verwende ich aber sowieso immer bei meinen Zelten, alleine schon, damit der Boden sauber bleibt.
Dieses kleine Wanderzelt wird eh ein Schönwetterzelt, bei Regen kommt zumindest eine Plane drüber. Es eignet sich für mich auch nur für Solotouren, was nicht mehr so häufig vorkommt.
Am neuen Boden wurden die Abspannschlaufen aus Resten alter Gurte aus meinem Bestand ergänzt, ebenso die Auflagen für das Zeltgestänge aus Faltboothaut aufgenäht.
Boden und Zelt miteinander zu vernähen war dann keine große Sache mehr. Das Zelt wiegt jetzt 3,5kg. Ohne Gestänge, Schnüre, Heringe und Packsack. Das klingt vielversprechend.
Das Gestänge entstand aus Dollbord-Rundstäben von einem Ausschlachtgerüst. Jeder Stab ist mit Messinghülsen zweigeteilt und besteht aus Esche. Am Eingang habe ich ein Zirkelgestänge realisiert. Der Originalboden hatte dort Gestängeauflagen sowohl in der Mitte als auch seitlich. Es gab wohl mal beide Varianten. Mit dem Zirkelgestänge bleibt der enge Eingang in der Mitte frei. Hinten reicht ein einfacher Stab.
Die Verbindung des Gestänges in der Spitze müsste nochmal verbessert werden.
Im Nachgang habe ich das Zirkelgestänge jedoch wieder gegen einen einfachen Stab getauscht. Das verringert die Komplexität beim Aufbau. Und seitlich des Mittelstabes ist auch genug Platz um herein und heraus zu kommen. Es wird auch ein bisschen Gewicht gespart.
Auf der Rückseite ist ein Fenster mit Fliegengaze und einem immernoch im Originalzustand funktionierenden Raffrollo eingebaut.
Ein Packsack war auch schnell genäht. Einfach auf Links die Seiten geschlossen und die Ecken abgenäht. Dann die Oberkante nach innen geschlagen und zweifach vernäht. Da wurden dann 6mm Ösen eingeschlagen. Der Stoff ist das unbehandelte Baumwoll-Segeltuch, das schon für den neuen Boden zum Einsatz kam. Unbehandelt kann Restfeuchtigkeit auslüften.
Von den Abspannseilen waren nur noch 5 Schnurspanner über, also wurden einige aus Buche nachgefertigt. Benötigt werden davon aber nur drei :-)
Die Originalschnur besteht aus gedrehtem Hanf, es sind 4mm Hanfschnüre. Nach kurzer Suche fand ich eine Bezugsquelle für eine 100m Rolle. Gedreht, nicht geflochten! Vom Kaufpreis lege ich nur die benötigte Menge auf das Zelt um. Das sind dann knapp 4,50 Euro. Das war mir der Originalzustand wert, die restlichen Materialien waren auf Lager.
Am Schluss wurde doch noch eine Änderung gemacht, die vom Originalzustand abweicht: Zusätzlich zu den Ösen am Zelteingang, mit denen man den Eingang verschnüren kann um ihn zu schliessen, wurden 5 Druckknöpfe angebracht. Das geht einfacher und ist weniger fummelig als die Schnürerei.
Entlang dem Boden sind am Eingang Knöpfe zum Verschluss vorgesehen. Alle Knöpfe fehlten bis auf Einen, hier wurden Jeansknöpfe eingenietet, was immerhin gut aussieht. Falls die originalgetreuen Alu-Knöpfe noch mal verfügbar sind, würde ich die aber tauschen.
Es werden bis zu 15 Heringe benötigt, dazu 1-2 Ersatzheringe. Um Gewicht zu sparen, kommen welche aus Alu zum Einsatz. So bleibt das Zelt um die 5kg.
© März 2022, Wolfgang Bion
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